Mosaik mit bunten Steinen
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Für Vielfalt und Selbstbestimmung

Die beiden gewählten Sprecher der Gesamtkonferenz Deutscher Heilpraktikerverbände und Fachgesellschaften, Elvira Bierbach und Christian Blumbach, sprechen im Interview über die aktuelle politische Lage, ihre Bedenken und über die Folgen, die eine Reform des Berufsstandes ohne die Mitwirkung der Heilpraktiker in Deutschland hätte.

In den letzten Monaten haben einige Negativschlagzeilen für Aufruhr in der Heilpraktikerschaft gesorgt. Wie ist Ihre Einschätzung zur aktuellen politischen Lage?

Elvira Bierbach: Zurzeit herrschen leider viel Unkenntnis und Falschinformation in Bezug auf die tägliche Arbeit und das Wirken der Heilpraktiker. Ein gewisses Maß an Verantwortung obliegt hier auch uns Heilpraktikerverbänden. Vielleicht haben wir in einigen Fällen die Öffentlichkeit nur unzureichend informiert. Vor allem aber ist diese Lage der äußerst einseitigen und verzerrten Darstellung in den Medien geschuldet.

Christian Blumbach: Aus den politischen Ebenen gibt es hingegen viele positive Stellungnahmen: Das rührt daher, dass die allermeisten Heilpraktiker ihren Beruf sehr verantwortungsbewusst ausführen – und Politiker sich dessen bewusst sind. Viele Politiker sind selbst regelmäßig bei Heilpraktikern in Behandlung und wissen um deren Stärken. Die äußerst seltenen negativen Vorkommnisse sind bedauerlich, rechtfertigen aber keinesfalls ein Berufsverbot oder weitere Beschränkungen der Behandlungsfreiheit des Heilpraktikerberufs. Die bestehenden Gesetze und Regularien sind absolut ausreichend. Wer sich strikt an alle geltenden Gesetze hält, kann kaum Gefahr laufen, Patienten zu gefährden oder ihnen gar zu schaden.

Trotz der positiven Resonanz seitens der Politik: Wo drückt der Schuh? Welche Bedenken haben Sie?

Elvira Bierbach: Unsere größten Bedenken sind, dass man gesetzliche Regelungen hinsichtlich der Ausbildung sowie der Berufsausübung ohne tiefergehende Kenntnis der realen Verhältnisse und ohne unsere Beteiligung und Expertise schafft. Es besteht die Gefahr, dass durch eine überzogene Regulierung den Patienten wesentlich mehr Heilungschancen genommen als zusätzliche Sicherheiten geboten werden.

Christian Blumbach: Zur Freiheit des Einzelnen gehört auch das Recht auf Selbstbestimmung über seinen eigenen Körper. Wir wollen die Vielfalt und die Selbstbestimmung im Gesundheitswesen erhalten. Unserer Überzeugung nach braucht Deutschland Patientensouveränität und damit auch die freie Arzt- und Therapeutenwahl. Das sind die Grundsätze, für die jeder Heilpraktiker eintritt.

 

Werden wir etwas konkreter: Gibt es Forderungen, die Sie explizit an Politiker richten?

Elvira Bierbach: Bei einer eventuellen Reformierung des Berufsstandes wäre der Sache dienlich, bei diesen Entscheidungen die Erfahrungen und Kompetenzen der Heilpraktikerverbände zu berücksichtigen! Wir wollen aktiv mitwirken bei einer möglichen Neuregelung und bieten gerne Expertise, konkrete Vorschläge und praktische Unterstützung bei der Erstellung und Umsetzung an!

 

In der Kritik steht immer wieder die Qualitätssicherung. Welche Stellschrauben sehen Sie hierfür im Heilpraktikerwesen?

Christian Blumbach: Wir stehen für Patientensicherheit und gute Patientenversorgung – das belegen die extrem niedrigen Schadensfälle bei kontinuierlich steigenden Patientenzahlen! Dies können wir besser dokumentieren durch noch mehr Transparenz im Heilpraktikerwesen. Hier sind wir jederzeit für Gespräche offen, um Möglichkeiten zu finden. Sehr gerne unterstützen wir auch mit Expertise und Fachleuten bei der Gestaltung und Umsetzung.

Elvira Bierbach: Tatsächlich gibt es in unserem Beruf seit vielen Jahre verschiedenste Maßnahmen zur Qualitätssicherung, z. B. Sachkundenachweise und ein Fortbildungszertifikat für Heilpraktiker. Wir befürworten ausdrücklich qualitätssichernde Maßnahmen wie verpflichtende Hygieneschulungen nach dem Modell des Bundeslands Hessen oder auch eine lückenlose Kontrolle der Praxen bzgl. Hygiene und Sicherheit durch routinemäßige amtsärztliche Praxisbegehungen. Zudem sehen wir Potenzial beim Beschwerde- und Fehlermanagement. Auf diese Weise können sich Patienten leichter informieren – und unsachgemäße Behandlungen können leichter entdeckt werden.

 

Welchen Stellenwert hat der Heilpraktikerberuf in Corona-Zeiten?

Elvira Bierbach: Im internationalen Vergleich hat Deutschland ein sehr gutes Gesundheitssystem – mit zwei Heilberufen. Denn neben dem Arztberuf gibt es noch den Heilpraktikerberuf, dem sich in dieser schwierigen Zeit die Patienten zuwenden können, wenn sie z. B. Schmerzen oder Ängste haben. Allerdings behandeln wir ausdrücklich keine SARS-CoV-2-Infektion bzw. COVID-19-Erkrankung. Das ist uns durch das Infektionsschutzgesetz verboten! Bei einem entsprechenden Verdacht kommen wir unserer Meldepflicht nach!

Christian Blumbach: Heilpraktiker respektieren und achten ihre gesetzlichen Grenzen und die entsprechenden aktuellen Bestimmungen der Ministerien und regionalen Behörden sehr genau. Im Akutfall und wenn es dringend erforderlich ist, sind sie für ihre Patienten da und bieten – unter Beachtung der gestiegenen Anforderungen an die Hygiene – aktuell medizinisch notwendige Versorgungsleistungen an. Wir Heilpraktiker unterstützen als verlässliche und verantwortungsvolle Partner das Gesundheitssystem dort, wo es Sinn macht – auch und gerade in der Corona-Krise!

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